Ballett an der Leipziger Oper 2011

Mario Schr�der & Leipziger Ballett : Jim Morrison

Eine Rocklegende, aber auch eine zerrissene Pers�nlichkeit erobert die B�hnen der
Welt und verliert sich im Kampf mit sich selbst. Jim Morrison, grandioser K�nstler,
Rebell, sinnlicher Poet, tanzender Schamane, Reisender in der endlosen Nacht lebt
im gleichnamigen Ballett 90 Minuten lang auf. 40 Jahre nach dem Tod des Musikers
eine Reise in die Welt der Rocklegende, in ein Leben zwischen Rausch, Provokation
und Todessehnsucht.

Mario Schr�der begibt sich mit seinem Ballett (40 T�nzer aus 23 Nationen) auf der
Suche nach diesem Menschen, sp�rt seiner Biografie, seiner sensiblen Poesie und
seiner Musik nach. Schon bevor der Vorhang �ffnet, wird das Publikum mit dem
charismatischen Star konfrontiert. Lockenpracht, Lederhose, wei�es Hemd, eine
geh�rige Portion Melancholie, so hat Morrison sich inszeniert. Martin Svobodnik ist
dieser Morrison. Er h�ngt in der Stellung eines Gekreuzigten in den Falten des roten
Vorhangs, f�llt zu Boden, kauert sich nieder, wird hineingerissen ins Leben und direkt
mit dem Tod konfrontiert. Leichenblass, regungslos und puppenhaft liegt da ein
K�rper im gl�sernen Bassin, w�hrend um ihn das Chaos tobt. Morrison dr�ckt ihn
herab, kein Luftbl�schen steigt endlose Minuten empor, Bewegungen unter Wasser
auf engstem Raum. Leben und Tod liegen nah beieinander.

Liebevoll treten diese beiden M�nner mit einander in Verbindung, erwecken sich
gegenseitig, bewegen sich synchron und geben einander Ansto�, bis sie �ber die
B�hne wirbeln. Bewegung ist Leben. Da sind sie, die zwei Seelen des Jim Morrison.
Immer war er �berzeugt, dass in ihm ein Schamane wohne, seit er als Kind einen
Verkehrsunfall mit zahllosen verungl�ckten Indianern miterleben musste.
Bew�ltigung eines Traumas auch auf der B�hne. Sein zweites Ich - Indianerseele,
b�ser und guter Zwilling, Unterbewusstsein - ist immer an seiner Seite. Die beiden
M�nner tanzen mal gemeinsam, mal gegeneinander. Das Traumpaar des Abends.

Kraftvoll, fast schon akrobatisch fegt dieser Schamane �ber die B�hne und zieht
nicht nur Morrison, sondern auch das Publikum in seinen Bann. Oliver Prei�, blond,
hell, kurzhaarig, der Gegenentwurf zu Morrison und jedem Indianerklischee, ist die
perfekte Erg�nzung des melancholischen, manchmal drogentrunkenen Rockmythos.
Es ist weniger das t�nzerisch Ausgefallene der Figur, was da fasziniert, als die
Ausstrahlung, die Kraft und Perfektion. Choreograph Mario Schr�der macht das Leben
Morrisons, immer nah am Extrem, f�hl- und verstehbar. Die Szenenfolge ist logisch,
nimmt den Zuschauer mit in die 60er. Man muss kein Tanzexperte sein, um folgen zu
k�nnen, auch kein Morrison-Fan, um die Verweise auf die wichtigsten Stationen
seines Lebens zu verstehen. Die Frau, die ihn fast sein Leben lang begleitet, und die,
die er heiratet. Die Band The Doors, Vehikel seiner Prominenz.

Vietnamveteranen als Verweis auf seine Zeit. Und immer wieder Hippies und Engel,
die seinen Weg kreuzen, die reale und die diffuse subjektive Welt - f�r Morrison
gleichrangig. Dazu 90 Minuten The Doors, eineinhalb Stunden die unverwechselbare
Stimme des Leads�ngers. Keine kann das Zeitgef�hl besser transportieren, steht so
sehr f�r die Sehns�chte, auch Trag�dien dieser Nachkriegsgeneration auf der Suche
nach alternativen Lebensstilen, neuen Erfahrungen, sich selbst.

Doch Schr�ders St�ck driftet nicht ab in eine 60er-Jahre-Collage. Zu sehr sind Tanz
und Inszenierung im Heute verankert. Nicht alles �berzeugt. Doch am Ende des
Abends z�hlt Anderes: die Leistung der Solisten. Auch die weiblichen Parts von
St�phanie Zsitva-Gerbal und Claudia Bernhard sind stark - und die Inszenierung, die
mit vielen eindringlichen Bildern aufwartet.

Wie das des an zahllosen Gummib�ndern h�ngenden Morrison. Gehalten werden
sie von gesichtslosen Figuren, die an ihm ziehen, ihn f�hren wie eine Marionette,
auch festhalten. In den Zwischenwelten zwischen Leben und Tod, Realit�t und
Rausch. Wer sich ihm n�hert, ihn fassen will, wird mitgefangen in diesem Gewirr
aus F�den. An anderer Stelle rieselt der Drogenrausch sanft herab auf die B�hne
und erfasst den T�nzer. Svobodnik zeigt mal gelungenes modernes Ballett, mal
liefert er, besonders in den ruhigen Momenten, eine perfekte Kopie von
Morrisons Bewegungen.

"The End" hat der Rockpoet eines seiner St�cke benannt. Wie so oft spielt er darin
mit dem Thema Tod. Der hat ihn sein Leben lang fasziniert und begleitet, in seinen
Liedtexten und in seinen weniger beachteten Gedichten spiegelt sich das wieder.
Das fr�he und bis heute nicht v�llig gekl�rte Ende, ein Garant f�r Unvergesslichkeit,
hat auch aus ihm einen Mythos gemacht. Schr�der nimmt dies vorweg, die Fans, die
sein Grab belagern, Fotos schie�en per Handy - nur scheinbare Anachronismen. Am
Schluss - wie k�nnte es anders sein: "The End". Der Tod als Klammer des Lebens.

Jim Morrison ist tot, doch der Mythos vom „K�nig der Eidechsen“ lebt. Eine sehr
gelungenen Choreografie, die durch das Publikum mit langem Applaus belohnt
wurde.


� J�rgen Schuschke for The Doors Quarterly Magazine Online - 2015